Für das Kolpingwerk in Deutschland stellen sich die 90er Jahre als eine Phase intensiver inhaltlicher Arbeit dar.
Ein wichtiger Strang ist hier die Konzeption der zielgruppenorientierten
Arbeit, die zunehmende Bedeutung in der praktischen Arbeit vor Ort erfährt.
Die wichtigsten Bereiche sind hier die Arbeit mit Kindern, mit jungen Familien
und mit Senioren. Gerade der letztgenannte Bereich nimmt immer mehr an
Bedeutung zu. In der Mitgliederentwicklung kann das frühere Wachstum
zwar nicht durchgehalten werden, aber die Mitgliederzahl bleibt noch -
und dies schon seit vielen Jahren - konstant bei rund 277.000. In der Struktur
der Mitgliedschaft geht der Anteil jüngerer Menschen (Kolpingjugend)
leider allmählich zurück; auch dadurch steigert sich der Altersdurchschnitt
insgesamt. Rund ein Drittel aller Mitglieder sind heute weiblich, in der
Kolpingjugend sogar rund 50%. Wichtige Änderungen für die Verbandsarbeit
bringt die Zentralversammlung im November 1994 Augsburg, fortgesetzt im
Januar 1995 in Hünfeld: Das Kolpingwerk Deutscher Zentralverband heißt
künftig Kolpingwerk Deutschland; in allen Satzungen, etc. wird der
Begriff ‚Zentral’ durch ‚Bund’ ersetzt (Bundesversammlung, etc.). Die bisherige
Struktur von Altersgruppen und Sachbereichen wird aufgegeben zugunsten
eines flexibleren Ansatzes, wo die Kolpingsfamilien selbst je nach ihren
inhaltlichen Aufgaben und Schwerpunkten die Zusammensetzung des Vorstandes
regeln können und sollen. Entsprechendes gilt auch für die überörtlichen
Ebenen. Mit der Bundesversammlung 1996 in Vechta erfolgt durch die Wahl
von Alois Schröder zum Bundespräses die Trennung der Ämter
des Generalpräses und des deutschen Zentralpräses. Hier wird
auch über die geplante Neufassung des bisherigen Verbandsprogramms
beschlossen, wo nach einem intensiven innerverbandlichen Dialogprozeß
das neue Leitbild des Kolpingwerkes Deutschland durch die Bundesversammlung
des Jahres 2000 in Dresden beschlossen wird. Ein Markstein in der Geschichte
des deutschen Kolpingwerkes ist dann der Kolpingtag im Herbst 2000 in Köln
mit mehr als 20.000 Teilnehmern, der auch so etwas wie den „Startschuss“
zur Umsetzung des neuen Leitbildes geben soll, die nach wie vor den derzeit
aktuellen Schwerpunkt der Verbandsarbeit darstellt. Eine neue Akzentuierung
erfährt die Arbeit des Kolpingwerkes auf internationaler Ebene durch
die in den 90er Jahren erfolgende Bildung von Kontinentalverbänden
bzw. kontinentalen Arbeitsgemeinschaften. Solche Arbeitsstrukturen, die
vor allem dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der Förderung der
regionalen Zusammenarbeit und der Unterstützung beim Aufbau des Verbandes
in „neuen“ Ländern dienen sollen, bestehen derzeit in Afrika, Lateinamerika
und Europa. Im europäischen Bereich liegt ein besonderer Akzent in
der politischen Interessenvertretung gegenüber dem Europarat und der
EU, von deren anstehender Osterweiterung ja viele der jungen Verbände
im ehemaligen Ostblock betroffen sind. Mit der Generalversammlung des Internationalen
Kolpingwerkes in Tuxtla Gutierrez im Frühjahr 2002 endet die dreißigjährige
Amtszeit von Generalpräses Heinrich Festing. Zu seinem Nachfolger
wird der Kölner Diözesanpräses Axel Werner gewählt.
Wichtigster inhaltlicher Aspekt dieser Generalversammlung ist die Verabschiedung
der „Leitlinien für die internationale Solidarität“, die an die
Stelle der bisherigen entwicklungspolitischen Leitlinien treten. Im Rahmen
der Änderung des Generalstatuts wird die Bezeichnung „Zentralverbände“
durch „Nationalverbände“ ersetzt. Aktuelle Aufgaben und Herausforderungen
für einen katholischen Sozialverband stellen sich heute auf nationaler,
europäischer und internationaler Ebene in hohem Maße. Auf allen
Ebenen hat das Kolpingwerk im Laufe seiner Geschichte seine recht verstandene
Anpassungsfähigkeit bewiesen, indem es immer wieder verstanden hat,
die grundlegenden Ideen und Ziele Adolph Kolpings in einer den jeweiligen
Zeitverhältnissen angemessenen Weise umzusetzen. Vor dieser Aufgabe
steht auch heute das Kolpingwerk, gerade in den ‚alten’ Nationalverbänden;
vielfältige Bemühungen sind erforderlich, um - durchaus auch
im Blick auf manche Schwachstellen der Verbandsarbeit - eine wirkungsvolle
und erfolgreiche Zukunft als moderner und attraktiver katholischer Sozialverband
zu ermöglichen.
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